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Friedrich Pollock: Gesammelte Schriften in sechs Bänden

Editionsprojekt

Friedrich Pollock: Gesammelte Schriften in sechs Bänden

Projektleitung: Dr. Philipp Lenhard

Studentischer Mitarbeiter: David Hellbrück

Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. John D. Abromeit (Buffalo State University)
Dr. Dirk Braunstein (Institut für Sozialforschung, Frankfurt am Main)
Prof. Dr. Jack Jacobs (City University, New York)
Prof. Dr. Martin E. Jay (University of California, Berkeley)
Prof. Dr. Eva Maria Ziege (Universität Bayreuth)

Laufzeit: 2015-2020

 Pollock Zeichnung

Projektbeschreibung

Das Projekt widmet sich der Edition einer Gesamtausgabe der Schriften Friedrich Pollocks. Damit wird ein lange bestehendes Desiderat der Verfügbarkeit von Quellen zur Erforschung der Geschichte der Geistes- und Sozialwissenschaften, der Exilforschung, der deutsch-jüdischen Intellektuellengeschichte sowie nicht zuletzt der Kritischen Theorie geschlossen. Das Projekt knüpft editionshistorisch an die bereits bestehenden Gesamt- oder Werkausgaben Theodor W. Adornos, Walter Benjamins, Max Horkheimers, Leo Löwenthals, Herbert Marcuses und Siegfried Kracauers an.
Neben Pollocks zum Teil nur noch schwer oder gar nicht zugänglichen wissenschaftlichen Publikationen wird auch ausgewähltes unveröffentlichtes Archivmaterial sowie ein eigener Band mit unveröffentlichten Briefen in die Edition eingehen. Das Projekt ist auf die Veröffentlichung von sechs Bänden angelegt und enthält darüber hinaus erstmals eine vollständige Bibliographie, eine biographische Skizze, einen umfangreichen Anmerkungsapparat sowie ein Sach- und Personenregister.

Zur Biographie und Bedeutung Pollocks:
Friedrich Pollock (1894-1970), Sohn eines jüdischen Fabrikbesitzers aus Freiburg, ist eine der Schlüsselfiguren der sogenannten „Frankfurter Schule“. Als leitender und dann stellvertretender Direktor des Instituts für Sozialforschung hat er die Sozialwissenschaften in Deutschland und den USA nachhaltig geprägt. Nachdem er als soeben demobilisierter Soldat und junger Student die Münchner Räterepubliken hautnah miterlebt hatte, ging er 1919 nach Frankfurt am Main, um dort sein Studium der Nationalökonomie, Philosophie und Soziologie fortzusetzen. 1923 wurde er mit einer Untersuchung zum Marxschen Geldbegriff promoviert und im selben Jahr Mitbegründer des Instituts für Sozialforschung. In den zwanziger Jahren arbeitete er in Kooperation mit dem Marx-Engels-Institut in Moskau an der Edition der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe und nahm 1927 als offizieller Gast an den Moskauer Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag der Oktoberrevolution teil. Im Anschluss an diese Russlandreise vollendete er seine Habilitationsschrift, die erste systematische Analyse der sowjetischen Planwirtschaft. Als Jude und Linker doppelt verfolgt, emigrierten er und sein lebenslanger Freund Max Horkheimer 1934 nach New York und bauten dort das Institut wieder auf. In den USA entstanden Pollocks theoretische und empirische Arbeiten zu Nationalsozialismus und Antisemitismus, welche die Diskussionen am Institut entscheidend prägten. Als Berater für das Board of Economic Warfare der US-Regierung beteiligte er sich auch ganz praktisch an der Niederringung des Nationalsozialismus.
1949 kehrten Pollock, Horkheimer und Adorno als amerikanische Staatsbürger zurück in die Bundesrepublik und beteiligten sich nachhaltig am Aufbau eines demokratischen und liberalen Staatswesens in Deutschland. In dem in der empirischen Sozialforschung einschlägig gewordenen Band Gruppenexperiment erforschte ein Team von Soziologen unter der Leitung Pollocks das politische Bewusstsein in der frühen Bundesrepublik. Einige Jahre später, 1956, erschien Pollocks letztes großes Werk Automation, das sich den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Einführung des Computers in die Industrieproduktion widmete.
Pollocks Bedeutung geht indes über die Geistes- und Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts weit hinaus: Als Wissenschaftsmanager unterstützte er Dutzende deutsch-jüdischer Intellektueller in der größten Not und verhalf etlichen zum Überleben in der Emigration. Die gewaltige noch erhaltene Korrespondenz von weit über 3.000 Briefen legt davon beredtes Zeugnis ab. Pollocks Bekanntschaft mit Theodor W. Adorno, Günther Anders, Hannah Arendt, Raymond Aron, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Ernst Fraenkel, Georges Friedman, Max Horkheimer, Otto Kirchheimer, Karl Korsch, Siegfried Kracauer, Adolph Löwe, Leo Löwenthal, Georg Lukács, Hans Mayer, Franz L. Neumann, Helmuth Plessner, David Rjazanov, Gershom Scholem, Paul Tillich, Felix Weil und vielen anderen machten ihnen zum Knotenpunkt eines transatlantischen, weitgehend deutsch-jüdischen Intellektuellennetzwerks. Obwohl – oder gerade weil – zeitlebens „religiös unmusikalisch“ (Max Weber), spiegelt sich in Pollocks Leben auch eine spezifische jüdische Erfahrung des 20. Jahrhunderts.

Editionsplan

Band I: Marxistische Schriften
Band II: Schriften zu Planwirtschaft und Krise
Band III: Schriften zu Nationalsozialismus und Antisemitismus
Band IV: Schriften zur Automation
Band V: Vermischte Schriften, Gespräche und Interviews
Band VI: Briefe

 

Besprechungen

"Pollock galt vielen als 'die graue Eminenz' des Instituts für Sozialforschung. Nun wird ein, wenn auch kleiner, Scheinwerfer auf ihn gerichtet, der ihn als Autor zeigt."
Jörg Später:»Hinter dem Geldschleier«, FAZ, 24. August 2018, Nr. 196, S. 10.

"In diesem Band werden erstmals die frühen Schriften Pollocks zur Marxschen Theorie gesammelt und zudem ausführlich kommentiert. Damit steht der Auseinandersetzung mit der Kritischen Theorie eine neue, umfassende Quelle zur Verfügung [...]."
Gregor-Sönke Schneider: Rezension, sehepunkte 18 (2018), Nr. 10.

"Nun wird ein, wenn auch kleiner, Scheinwerfer auf ihn gerichtet, der Pollock als Autor zeigt, was erst verstehen lässt, warumer ein kongenialer Partner des Institutsdirektors Max Horkheimers werden konnte."
Jörg Später: Heraus aus dem Schatten, Badische Zeitung, 29. November 2018.

"Die Marxistischen Schriften haben deshalb das Potenzial, nicht nur die von Lenhard gehegte Hoffnung zu erfüllen, 'mit der vorliegenden Edition neue Arbeiten' anzustoßen, [...] sondern auch deren Hoffnung zu nähren, die an einer Selbstbesinnung der Kritischen Theorie wie der Bewusstwerdung ihrer Quellen und Bestandteile arbeiten. Für beides ist Verlag wie Herausgeber zu danken."
Maximilian Huschke: Marxismus und Kritische Theorie, literaturkritik.de, 04/2019.

"[Das] Vorhaben, Pollocks Arbeiten der Vergessenheit zu entreißen, ist gelungen. Wer sich mit der Geschichte des Marxismus befasst, wird an den 'Marxistischen Schriften' nicht vorbeigehen können."
Herbert Hörz: Sozialismus: Ideal- oder Real-Utopie?, Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 1/2018.

"Insgesamt bietet dieser erste Band von Pollocks Schriften einen interessanten Einblick in die Anfänge einer unorthodoxen Auseinandersetzung und Weiterentwicklung des Marxismus, wie er für die ältere Kritische Theorie charakteristisch ist. Und diese Einblicke sind keineswegs nur für Experten der Theoriegeschichte interessant, sondern als Teil des kritischen Denkens von Relevanz für eben dieses in seiner aktuellen Form."
Andreas Fisahn: Friedrich Pollock: Marxistische Schriften, Arbeit – Bewegung – Geschichte 2019/III